Donnerstag, 10. Mai 2018

Etwas ganz Neues

Anfang September 2006 bekam ich, ein paar Tage früher als vereinbart, weil ich Beschwerden hatte, einen Termin bei meiner neuen Gynäkologin. Eigentlich wollte ich mir da die Pille oder ein anderes Verhütungsmittel verschreiben lassen. 
 
Als Erstes gab ich eine Urinprobe ab; dann kam ich dran und saß im Besprechungszimmer der Ärztin, vor ihrem Schreibtisch. Sie kam herein, herein gerauscht, ohne den Kopf zu heben, sah mich garnicht an, stellte sich nicht vor, fragte nicht nach meinem Namen, sondern nahm gleich ihre Zettel, die auf dem Tisch lagen, in die Hand und sagte: „Ja, das ist also positiv.“ 

Obwohl ich wusste, was sie meinte, und obwohl etwas in mir ohnehin schon wusste, dass ich schwanger war, habe ich es doch im ersten Moment nicht begriffen und diese offizielle Bestätigung war noch mal … ja – wie? Paff! Da war etwas passiert, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, in diesem Leben Mutter zu werden, schwanger zu werden - nicht wirklich. Obwohl ich wusste, dass ich schwanger bin. Etwas in mir wusste es, aber mein Alltagsbewusstsein oder meine Erfahrungen, mein Selbstbild, mein eingeschränktes, wollten es nicht glauben. Als sie das mit dem „positiv“ sagte, wurde dieser Glaubenssatz – pong! – gesprengt und ich empfing das für mich völlig Neue auch gedanklich, mit meinem Verstand. 

Wir gingen in ein anderes Zimmer, ich legte mich auf eine Liege, sie gelte mir den Bauch ein und fuhr mit ihrem Ultraschall-Dingens darauf herum. Auf dem Bildschirm zeigte sie mir die Schwangerschaft. Ja! Da war was! Auf dem Bild, das sie ausdruckte, konnte man schon Michels Rückgrat sehen. Dann fragte sie mich, ob ich wisse, dass ich Myome habe, Gewächse in der Gebärmutter. Es seien einige und sie seien recht groß und deswegen sei es kein Wunder, dass ich Beschwerden habe. Ich sollte mich schonen, hinlegen, nicht arbeiten gehen, sonst würde ich die Schwangerschaft gefährden. 

Das Ultraschallgerät gab an, die Schwangerschaft befände sich in der fünften Woche und errechnete auch gleich den wahrscheinlichen Geburtstermin: 2. Mai 2007. Ich rechnete nach und kam bei aktuellem Datum minus fünf Wochen auf Ende Juli. Ich hatte aber Anfang August zum letzen Mal meine Periode gehabt und wir hatten doch auch da erst das erste Mal miteinander geschlafen. Da sollte es gleich passiert sein? Und dann noch die Periode? Die Ärztin lies sich aber von der 5. Woche und der Empfängnis Ende Juli nicht abbringen. Das weckte in mir den Gedanken, das Ganze müsse etwas Besonderes sein: Eine „unbefleckte Empfängnis“, so wie bei Maria mit Jesus. „Es“ war einfach passiert, vom Himmel gefallen quasi, und damit es irdisch angenommen werden konnte, trat zeitgleich D. auf den Plan. Ich meine das nicht unbedingt wörtlich. Aber eigentlich doch. Michel ist ein Geschenk des Himmels. 

Und D. genauso (?). Aus der Praxis draußen, rief ich ihn gleich an. Er wartete schon auf meinen Anruf. Ich teilte ihm das Ergebnis mit und fuhr zu ihm. Auf der Fahrt weinte ich. All die Fakten, all das Neue – ich war erschüttert und musste mir Luft machen, es fließen lassen. Es waren Tränen der Ausdehnung. 

Aber es waren auch Tränen dabei, die flossen wegen: „Wie soll das gehen? Nicht arbeiten? Mein neuer Job! Was werden die im Kindergarten sagen? Woher soll dann mein Geld kommen?“ 

Als ich bei D. war und wir uns im Flur in den Armen lagen, sagte er als Erstes: „Die Fische müssen weg.“ Er hatte einen Fischteich im Hof.
… - …


Die Fische kamen dann auch weg. Zu gegebener Zeit. Die „wertvollen“ Kois gab er einer Bekannten und die „gewöhnlichen“ Karpfen schwimmen jetzt im Bergwerksteich.

Ich überschlief die Option des Nicht-mehr-arbeiten-gehen-und-mich-hinlegen eine Nacht lang und entschied mich, es zu tun. Ich redete mit dem Vorstand des Kindergartens. Der erste Papa, dem ich sagte: „Ich muss Dir was sagen, ich bin schwanger und ich habe Myome und soll mich hinlegen“ der antwortete mir: „Herzlichen Glückwunsch!“ Die anderen reagierten auch alle positiv und ich bin nun in diesem Kindergarten in Elternzeit bis Michel 2 wird. 
👶🙌


                  

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