Wenige Wochen vor
Michels Geburt bekamen wir nach mehrmaligem Nachfragen den Bescheid, dass sein
Antrag abgelehnt sei, weil wir in eheähnlicher Gemeinschaft lebten und mein
Krankengeld für uns beide ausreiche. Wir fielen aus allen Wolken. Die
Sachbearbeiterin behauptete auch, sie hätte uns den Bescheid schon vor Wochen
zugesandt. Wir hatten aber nichts bekommen und lebten die ganze Zeit in der
Hoffnung auf über kurz oder lang kommendes Geld.
Die Woche nach
Michels Geburt, als wir aus dem Krankenhaus nachhause fahren wollten, waren wir
bis zum Anschlag im Soll und wir liehen uns von meinen Eltern Geld, um 100,- €
Leihgebühr für eine Milchpumpe zahlen zu können, um Lebensmittel zu kaufen und
das Auto zu tanken.
Am 1. Mai war die
Auszahlung einer Lebensversicherung von mir fällig. Das waren knapp 4000,- €.
Damit füllten wir unser Konto, bezahlten die Schulden zurück und kauften uns
eine Gartenhütte im Sonderangebot. In Erwartung der Nachzahlung vom Arbeitsamt
hatten wir uns in diesem Frühjahr auch schon einen ermäßigten Pavillon
geleistet, mit dem D. einen schönen Freisitz für uns gebaut hatte. So hatten
wir zwar sehr wenig Geld, aber uns flossen doch Reichtümer und Neuerungen zu.
Zumal D. einen enormen Arbeitseifer besitzt, ausgesprochen kreativ ist und
handwerklich ein Allroundtalent. Er hat hier losgelegt und innen und außen in
so kurzer Zeit soviel verändert, dass es mir hinterher leid tat, dass ich nicht
von allen erneuerten Ecken Vorher-Nachher-Fotos gemacht hatte.
Er renovierte auch
Flur und Bad, mit enormem Aufriss – alles neu. Das sponserten meine Eltern,
denen das Haus, in dem wir wohnen, gehört, und ich übte mit meiner Psychologin,
das alles anzunehmen und die Haltung einzunehmen, dass es mir zusteht. Zu diesen
therapeutischen Sitzungen ging ich, seit ich damals mit R. zusammen war. In
dieser Beziehung war ich in vollem Ausmaß an meine Eifersuchts- und
Minderwertigkeitsthemen und an meine Verlassens-Ängste gekommen. Und weil ich schon
im Prozess des Trockenwerdens vom Alkohol hilfreiche therapeutische Erfahrungen
gemacht hatte, hatte ich keine Berührungsängste mit Psychologen und beantragte eine
Therapie, als ich nach Vorkommnissen mit R. ein paar Nächte lang nicht geschlafen
und mich nur von Kaffee ernährt hatte, innerlich total am Rad drehte, völlig
verzweifelt war und Höllenqualen litt.
Im Februar begann D.
damit, meine Speisekammer wegzuhauen und den Flur zu erweitern. Im Bad wurde auch
alles herausgehauen, bis auf die letzte Fliese. Flur und Bad lagen also in
Schutt und Asche und über Wochen war das eine Baustelle.
Ich hatte einen
riesengroßen Bauch und lag die meiste Zeit im Bett, weil ich zu der Zeit enorme
Beschwerden hatte. Zeitweise konnte ich wegen Schmerzen nicht richtig laufen.
Ende Januar verbrachte ich deswegen auch eine Woche stationär in der Klinik. Im
letzten Drittel der Schwangerschaft wurde es besser. Das war für mich die
entspannteste Zeit der Schwangerschaft, da hatte ich nur noch Sodbrennen nachts.
Ich musste also
den ganzen Umbruch einfach hinnehmen. Loslassen und geschehen lassen, mich
hingeben, liegenbleiben und die anderen machen lassen.
Ich sehe es auch
als göttliche Fügung an, dass wir so lange nichts von dem Ablehnungsbescheid
wussten und im Glauben lebten, da käme bald eine ordentliche Nachzahlung. Ich
machte mir so schon Sorgen um unsere Finanzen, aber wenn ich das noch gewusst
hätte, hätte ich mich noch viel mehr gegrämt. Den Pavillon hätten wir mit
Sicherheit nicht gekauft. So aber haben
wir ihn und es ist finanziell doch immer irgendwie gegangen. Unser Konto war
zwar dauernd im Soll, aber trotzdem floss der kosmische Fluss und brachte uns
viel Neues.
So ist es auch mit
Michel. Ich machte mir ohnehin gelegentlich Sorgen, ob auch alles gutgehen
würde. Eine Geburt stand mir bevor! Und es sollte ein geplanter Kaiserschnitt
werden, weil der natürliche Weg durch die Myome blockiert war. Die Wehen
durften nicht einsetzen, denn sonst bestand die Gefahr, dass meine Gebärmutter
platzen könnte, was bestimmt tödlich für das Kind und mit 80 %tiger
Wahrscheinlichkeit auch für mich enden könnte. So hatten es mir die Ärztinnen
gesagt, meine Gynäkologin und die Ultraschallerin in der Uniklinik.
Mit dem Festlegen
eines Geburtstermins tat ich mir schwer, denn ich bin der Ansicht, jeder hat
seine Zeit, zu der er auf die Erde kommt (und später wieder geht), das
entscheidet die Seele. Und da sollte ich eingreifen und bestimmen?! Meinem Kind
etwas aufzwingen? … - Heute bin ich im tiefen Vertrauen, dass das alles, auch
mit den scheinbaren äußeren Zwängen, genau richtig war. Michel ist zu
seiner Zeit auf die Erde gekommen. Das Ganze war von vorne bis hinten behütet
und beschützt, und ist es mit Sicherheit noch.
Wenn ich gewusst
hätte, dass Michel das Down-Syndrom hat, dann hätte ich mir noch viel mehr Sorgen
gemacht. Aber so kam er raus und dann war es so.
Da begannen die 7
heiligen Tage.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen