Einführung in mein Buch "Wenn Michel schläft ..."
Meine Freundin Mirjam hat mir eine Zeitschrift geschickt, ein „Magazin zum Down-Syndrom“. Sie arbeitet in Hamburg als Sozialarbeiterin und bekommt das dort auf ihren Schreibtisch. Dabei hat sie an uns gedacht und es an uns weitergegeben. In dem Magazin war ein Aufruf: Schreiben Sie uns zum Thema „Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom“, für die nächste Ausgabe. Das habe ich getan, vier Din-A-4-Seiten über unseren Sohn Michel, mit Fotos. Eigentlich aber habe ich über mich geschrieben, wie ich das empfunden habe, seine Ankunft in meinem Leben und das Drum-Herum, wie ich mich so beschützt und getragen fühlte in der Klinik, obwohl es sich von außen betrachtet um alltägliches Klinik-Geschehen handelte, über die Heiligkeit der ersten Tage seines Lebens.
Während des
Schreibens entstand in mir der Wunsch, mehr zu schreiben, mehr über das, was
ich durch Michels Dasein erlebe, die dazugehörende Vorgeschichte (die sehr kurz
ist: rein rechnerisch müsste Michel eine Windbestäubung sein), über die
Prozesse, durch die ich gehe, durch diese zwei neuen Beziehungen in meinem
Leben: Michels Papa und Michel. Wie sich dadurch schon vorhandene Beziehungen ändern.
Und wie ich mich verändere, ändern muss,
mich hingeben muss, vertrauen, mich anpassen, bzw. mit den Gegebenheiten
umgehen, ob mir das nun immer alles so passt, wie es kommt und ist, oder nicht.
Und dass ich mich so beschenkt fühle vom Leben und so geehrt wegen der Art und
Weise, wie es mich diese Dinge lehrt. In meinem speziellen Fall. - Ja! Das will
ich: Meinen speziellen Fall aufschreiben, denn es tut mir jedesmal gut, wenn
ich es auszugsweise mache, Briefe schreibe oder wie vor kurzem diesen Artikel
für die Zeitschrift, es klärt mich innerlich und gibt mir Kraft und ich komme
dadurch oft mit meiner eigenen Weisheit in Kontakt und finde wie von selbst
Antworten auf Fragen und Themen, die mich beschäftigen. Ja! Das mache ich! Ich
schreibe ein Buch über meinen speziellen Fall! Vielleicht kann ich dadurch auch
anderen dienlich sein, weil sie sich im Einen oder Anderen wiedererkennen … oder zu ihrer Erheiterung beitragen … oder
sie ermutigen, das Gleiche oder etwas Ähnliches zu tun, um sich die eigenen
Entwicklungs- und Befreiungs-Prozesse bewusst zu machen, ja, überhaupt sich
erst einmal damit auseinanderzusetzen – das machen nämlich viele nicht. Ich
kenne einen Haufen Menschen, die laufen vor den offensichtlichsten Themen ihres
Lebens davon, lenken sich ab mit Arbeit, treiben in jeder freien Minute Sport,
engagieren sich politisch oder kämpfen für sonst was, kümmern sich um alles
Mögliche, nur nicht um sich selbst. Währenddessen stehen ihre ureigenen
persönlichen Lebensthemen geduldig neben ihnen, sind immer da und ziehen sie ab
und an am Hosenbein oder am Rockzipfel: „Hallo! Hier bin ich! Schau mich an!“
Aber manche Menschen haben Angst vor ihnen. Vor sich selbst, oder wie? Vor
ihrem eigenen Leben? Dabei liegt genau darin der Segen. Und der Schlüssel – zum
Himmel, zum Paradies. Für jeden liegt genau darin der Weg nachhause, der
direkte Weg ins Zentrum der Erfüllung all ihrer Sehnsüchte und tiefsten
Bedürfnisse und Wünsche. Das glaube ich. Jeder hat seinen eigenen Weg in seine
eigene Erlösung, in die Freiheit und die Liebe in sich. Man muss nur innehalten
und sich um sich selbst kümmern, mit sich selbst in Kontakt gehen. Und nicht
dauernd rennen. – Ich weiß, oder: mir ging es ja auch so und auch jetzt ist es
noch oft so: Ich meine, ich müsste etwas tun: Wäsche waschen, Essen kochen, 3 x
am Tag mit dem Hund Gassi gehen, Michel versorgen, hierhin fahren, dorthin
fahren, Sport treiben … die Liste könnte über Seiten fortgesetzt werden. Früher
habe ich ganze Tage gearbeitet. – Mit der Bestätigung meiner Schwangerschaft
durch die Frauenärztin war das mit einem Schlag vorbei. Ich hatte Myome in der
Gebärmutter und sollte mich hinlegen und schonen. Das war irgendwie der erste
„Schlag“ (in dieser Geschichte), da fing es an, dass ich „gezwungen“ wurde
anzunehmen was ist. Ich habe mich hingelegt. Eine Nacht habe ich darüber
geschlafen, dann ließ ich mich krankschreiben, trotz neu angetretenen Jobs,
denn ich hatte die Entscheidung getroffen, die Dinge anzunehmen. Ich hätte auch
sagen können: „Ach was, ich gehe arbeiten, ich schaff‘ das schon. Wird nicht so
schlimm sein mit den Myomen.“ Aber das habe ich nicht. Und ich bin froh drum –
und mir selbst dafür dankbar, dass ich das so gemacht habe - das wird mir jetzt
beim Schreiben bewusst. Ja.
Ich habe mich also
zwingen lassen – und bin mir und meinem Leben dafür dankbar. Be-zwingen lassen.
– Möge mein Leben mein Ego bezwingen!! Oder befreien, es sich einverleiben.
Und nun beende ich
diese Einführung, um einzutauchen in meine Geschichte. Meinen speziellen Fall.
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